Während in vielen Wohnungseigentümergemeinschaften ein angenehmes Miteinander besteht, ist in anderen Wohnanlagen das Verhalten mancher Miteigentümer ein ständiger Zankapfel. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von geringeren Anlässen wie der im Hausflur abgestellte Kinderwagen oder im Treppenhaus abgelegte Briefkastenwerbung bis hin zu massiveren Störungen etwa durch ständige Lärm- oder Geruchsbelästigungen seitens eines Miteigentümers. Helfen sachliche Gespräche nicht weiter und stellt das Verhalten des Miteigentümers weiterhin eine Beeinträchtigung der anderen Eigentümer und Bewohner dar, sollte dagegen vorgegangen werden. Wie Eigentümer bei Ärger mit Miteigentümern richtig reagieren, erfahren Sie hier.
- Ärger mit Miteigentümern: Diese Möglichkeiten haben Eigentümer
- Durchführung der Hausordnung: Welche Aufgaben der Verwalter hat
- Unterlassungsanspruch: Hier ist zu unterscheiden
- Entziehung des Wohnungseigentums: Letztes Mittel
4.1. Generalklausel: Fortsetzung der Gemeinschaft mit Störer nicht zumutbar
4.2. Vorherige Abmahnung grundsätzlich erforderlich
4.3. Zahlungsrückstand kein Entziehungsgrund mehr
4.4. Kein Verschulden notwendig
4.5. Das gilt bei störenden Ehegatten bzw. Miteigentümern der Wohnung
4.6. Entziehungsrecht sofort durchsetzen – ansonsten droht Verwirkung
4.7. Darauf ist bei der Beschlussfassung über die Entziehung zu achten
1. Ärger mit Miteigentümern: Diese Möglichkeiten haben Eigentümer
Beeinträchtigt ein Miteigentümer durch sein Verhalten andere Eigentümer und Bewohner, sollte als erstes mit dem Miteigentümer ein sachliches Gespräch in einem ruhigen Ton geführt werden. Mancher Miteigentümer macht sich über sein Tun und Lassen keine Gedanken, so dass er nicht merkt, dass dieses andere Personen stört. Im günstigsten Fall ändert der Miteigentümer nach einem freundlichen Hinweis eines anderen Eigentümers sein Verhalten und der Ärger ist beseitigt.
Allerdings gibt es auch Miteigentümer, die auf ihrem Standpunkt beharren. Ist der betreffende Miteigentümer kommunikationsbereit, kommt die Hinzuziehung eines Mediators in Betracht. also einer für die Konfliktlösung aus- bzw. fortgebildete externe, unabhängige und neutrale dritte Person. Diese kann versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln sowie eine Lösung zu erarbeiten und so den Ärger einvernehmlich aus der Welt zu schaffen.
Häufiger sind aber die Fälle, in denen der Miteigentümer sein Verhalten nicht ändert und womöglich auch noch ausfallend wird. Hier haben die anderen Eigentümer folgende Möglichkeiten:
- Einschaltung des Verwalters zwecks Durchführung der Hausordnung
- Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gegen den Miteigentümer
- Durchsetzung der Entziehung des Wohnungseigentums gegenüber dem Miteigentümer
2. Durchführung der Hausordnung: Welche Aufgaben der Verwalter hat
Vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform am 01.12.2020 war der Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ausdrücklich zur Durchführung der Hausordnung verpflichtet. Nach jetziger Rechtslage ist der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 WEG gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich nur zu solchen Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung berechtigt und verpflichtet, die
- von untergeordneter Bedeutung sind und die Eigentümergemeinschaft nicht erheblich verpflichten oder
- zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind
Für die Durchführung der Hausordnung als Aufgabe des Verwalters bedeutet das zunächst Folgendes: Die Wohnungseigentümer sind gegenüber der Eigentümergemeinschaft verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse der Wohnungseigentümer einzuhalten, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Dabei gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Benutzung insbesondere die Aufstellung einer Hausordnung, § 19 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Da der Verwalter nach jetzigem Recht Ausführungsorgan der Eigentümergemeinschaft ist, hat er auch für die Durchführung der aufgestellten Hausordnung zu sorgen.
Dazu hat der Verwalter diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Wohnungseigentümer die Hausordnung einhalten. Dabei können auch aus der Hausordnung selbst bestimmte Maßnahmen hervorgehen. Stellt der Verwalter Verstöße gegen die Hausordnung fest oder werden ihm solche gemeldet, muss er durch Aushänge im Treppenhaus, Rundschreiben, Aufforderungsschreiben an einzelne Eigentümer und dergleichen auf die Einhaltung der einzelnen Pflichten nach der Hausordnung hinwirken. Speziell die schriftliche Aufforderung an solche Eigentümer, die gegen die Hausordnung verstoßen, hat den Vorteil, dass Verstoß und Aufforderung zu ordnungsgemäßen Verhalten besser nachgewiesen werden können.
Hält sich ein Miteigentümer nach Aufforderung auch weiterhin nicht an die Hausordnung, wäre es dem Verwalter an sich möglich, gegen den störenden Eigentümer rechtliche Schritte etwa in Form der Einschaltung eines Rechtsanwalts oder einer Klage einzuleiten. Denn nach jetziger Rechtslage hat der Verwalter die dazu erforderliche Vertretungsmacht, § 9b Abs. 1 S. 1 WEG.
Zu solchen rechtlichen Schritten ist der Verwalter jedoch nicht berechtigt. Denn die Einleitung rechtlicher Schritte gegen einen Miteigentümer hat keine untergeordnete Bedeutung und ist auch nicht eilbedürftig. Der Verwalter muss daher die Verstöße gegen die Hausordnung zum Gegenstand der Tagesordnung der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung machen, um über das Vorgehen gegen den störenden Miteigentümer beschließen zu lassen. In Fällen besonderer Dringlichkeit ist eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen.
Alternativ kann die Eigentümerversammlung für solche Situationen klare und eindeutige Vorgaben beschließen. Das kann entweder im Verwaltervertrag oder mittels eines gesonderten Dauerbeschlusses geschehen. Der Verwalter braucht dann bei wiederholtem Ärger mit einem Miteigentümer keinen Beschluss der Eigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen, sondern kann sofort rechtliche Schritte gegen den störenden Miteigentümer einleiten.
Soweit aus der Hausordnung selbst bestimmte Maßnahmen hervorgehen, die bei Verstößen zu ergreifen sind, dürfen dies keine Vertragsstrafen sein. Darauf gerichtete Beschlüsse wären mangels Beschlusskompetenz nichtig. Etwas anderes gilt nur, wenn angemessene bzw. verhältnismäßige Vertragsstrafen durch eine Vereinbarung festgelegt werden. Das ist ebenso bei sonstigen besonderen Leistungspflichten außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten.
Ist der Verwalter nach einer Hausordnung verpflichtet, „grobe Verstöße“ gegen diese zu ahnden, ist die Hausordnung ist wegen inhaltlicher Unbestimmtheit ungültig. Zudem ist eine Regelung in einer Hausordnung ungültig, die eine verschuldensunabhängige Haftung begründet (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG, Beschluss vom 13.12.2001, Az.: 2Z BR 156/01).
3. Unterlassungsanspruch: Hier ist zu unterscheiden
Vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform hatte jeder Wohnungseigentümer die Möglichkeit, sich aus eigenem Recht gegen jegliche Störungen zur Wehr zu setzen. Eine Mitwirkung oder Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft war dafür nicht erforderlich. Diese konnte aber die Geltendmachung der Ansprüche durch Beschluss an sich ziehen bzw. vergemeinschaften, wodurch die Ansprüche des betreffenden Eigentümers endeten. Nach jetzigem Recht ist das anders, wobei wie folgt zu unterscheiden ist:
- Zum einen können die sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte nur noch von der Eigentümergemeinschaft geltend gemacht werden, § 9a Abs. 2 WEG
- Zum anderen ist es für den einzelnen Wohnungseigentümer lediglich möglich, aus eigenem Recht gegen Störungen seines Sondereigentums (Eigentumswohnung) vorgehen, §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Eine Beeinträchtigung des Sondereigentums ist insbesondere dann gegeben, wenn sich in dessen räumlichen Bereich Störungen auswirken. Das ist der Fall bei Lärm, Gerüchen, starke Verschattung oder erhebliche Beschränkung der Aussicht. Eher weniger von Bedeutung sind die Fälle einer Substanzverletzung. Werden sowohl das Gemeinschafts- als auch das Sondereigentum beeinträchtigt, ist der betroffene Eigentümer auch weiterhin berechtigt, sich gegen die Störung seines Sondereigentums selbst zur Wehr zu setzen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11.06.2021, Az.: V ZR 41/19).
Nutzt also etwa ein Wohnungseigentümer seine Eigentumswohnung entgegen der Zweckbestimmung für eine gewerbliche Tätigkeit, deren Lärm die benachbarten Wohnungseigentümer beeinträchtigt, kann zum einen die Eigentümergemeinschaft die Unterlassung der gewerblichen Nutzung verlangen. Zum anderen können die benachbarten Eigentümer fordern, dass die Lärmbelästigungen zu unterlassen sind.
Für die betroffenen Eigentümer empfiehlt es sich in solchen Fällen, zweigleisig zu agieren. Sie sollten den störenden Wohnungseigentümer unter Fristsetzung zur Unterlassung auffordern. Eine Kopie dieses Schreibens geht dann an den Verwalter mit der Bitte, dass dieser gegen den Störer ebenfalls vorgeht.
Der beeinträchtigte Wohnungseigentümer muss bei einem Rechtstreit im Wege der Unterlassungsklage gegen den störenden Miteigentümer nachweisen, dass die Beeinträchtigungen mit einem „geordneten Zusammenleben“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG) nicht zu vereinbaren sind. Es muss sich also um wiederholte Störungen von einiger Bedeutung handeln. Maßgeblich dabei ist, ob die Störungen objektiv als lästig und damit als gravierend empfunden werden (BGH, Urteil vom 26.10.2018, Az.: V ZR 143/17). Der beeinträchtigte Eigentümer hat das dem Gericht im Einzelnen genau vorzutragen. Handelt es sich um akustische Beeinträchtigungen, ist ein sogenanntes Lärmprotokoll über Art, Tageszeit, Dauer und Intensität sinnvoll.
Soweit die Rechte der Eigentümergemeinschaft durch die Beeinträchtigung des Miteigentümers verletzt und dem Verwalter für solche Situationen keine klaren und eindeutigen Vorgaben durch Beschluss zugewiesen wurden, muss dieser die Eigentümerversammlung über die Vorgehensweise beschließen lassen. Der Beschluss hat dann regelmäßig darauf zu lauten, dass der störende Miteigentümer abzumahnen bzw. zur Unterlassung aufzufordern und im Wiederholungsfall ein Rechtsanwalt mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen den Störer zu beauftragen ist.
4. Entziehung des Wohnungseigentums: Letztes Mittel
Als letztes Mittel (ultima ratio) kommt die Entziehung des Wohnungseigentums gegenüber dem störenden Miteigentümer in Betracht.
4.1. Generalklausel: Fortsetzung der Gemeinschaft mit Störer nicht zumutbar
Nach der Generalklausel des § 17 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung des Wohnungseigentums verlangen. Das setzt voraus, dass der betreffende Eigentümer sich einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern oder der Eigentümergemeinschaft obliegenden Pflichten schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.
Gründe für eine Eigentumsentziehung sind insbesondere:
- Erhebliche Nachbarschaftsstreitigkeiten
- Durch ein dauerhaftes so genanntes Messie-Syndrom verursachte erhebliche Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer wie etwa Ungezieferbefall bzw. eine Rattenplage und Geruchsemissionen (Landgericht (LG) Hamburg, Urteil vom 06.04.2016, Az.: 318 S 50/15)
- Dauernde Misstrauensbekundungen und rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Eigentümerrechte gegenüber dem Verwalter, die für die anderen Wohnungseigentümern unzumutbar sind – lediglich querulatorische Anfechtungen stellen allerdings keinen Rechtsmissbrauch dar (BGH, Urteil vom 05.04.2019, Az.: V ZR 339/17)
- Schmähungen eines anderen Wohnungseigentümers gegenüber dritten Personen
- Tätlichkeiten und / oder Beleidigungen gegenüber anderen Wohnungseigentümern und dem Verwalter
Demgegenüber ist es nicht rechtens, wenn ein Wohnungseigentümer unter Androhung der Entziehung des Wohnungseigentums dazu veranlasst werden soll, künftig keine Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft mehr anzufechten (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 20.02.2004, Az.: 16 Wx 7/04).
Speziell bei Zweiergemeinschaften kommt eine Entziehung des Wohnungseigentums nicht in Betracht, wenn der die Entziehung betreibende Wohnungseigentümer selbst so sehr seine Pflichten verletzt hat, dass auch von ihm die Entziehung seines Wohnungseigentums verlangt werden könnte (BGH, Urteil vom 22.01.2010, Az.: V ZR 75/09).
4.2. Vorherige Abmahnung grundsätzlich erforderlich
Die Entziehung des Wohnungseigentums setzt grundsätzlich voraus, dass der die Beeinträchtigungen verursachende Wohnungseigentümerabgemahnt wurde und trotzdem weiterhin gegen seine Pflichten nach § 14 WEG verstößt, also insbesondere die weiteren Beeinträchtigungen mit einem „geordneten Zusammenleben“ nicht zu vereinbaren sind. Folglich müssen insgesamt mindestens drei gravierende Pflichtverstöße gegeben sein, da trotz Abmahnung ein wiederholter grober Verstoß vorzuliegen hat, § 17 Abs. 2 WEG.
Das Entziehungsrecht nach § 17 Abs. 1 WEG wird der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugeordnet. Daher hat diese durch den Verwalter als ihr Vertretungsorgan den störenden Miteigentümer abzumahnen. Umstritten seit dem Inkrafttreten der WEG-Reform ist in der Rechtslehre, ob der Verwalter ohne einen Beschluss der Wohnungseigentümer den Störer abmahnen kann, da der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG nur zu Maßnahmen „von untergeordneter Bedeutung“ berechtigt ist. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sollten die Eigentümer stets einen Beschluss fassen, wonach dem die Beeinträchtigungen verursachenden Wohnungseigentümer eine Abmahnung zu erteilen ist.
Eine Abmahnung ist allerdings grundsätzlich entbehrlich, wenn ein Wohnungseigentümer, gegen den ein gerichtliches Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums anhängig ist, die in der Klage beanstandeten gemeinschaftswidrigen Verhaltensweisen fortsetzt (BGH, Beschluss vom 25.01.2018, Az.: V ZR 141/17). Hat also ein Wohnungseigentümer bereits andere Wohnungseigentümer, den Verwalter oder den Hausmeister beleidigt, bedroht sowie tätlich angegriffen und setzt er dieses Verhalten im Laufe des gerichtlichen Entziehungsverfahrens fort, geht daraus hervor, dass er sein Verhalten nicht ändern will. Eine Abmahnung, die gerade eine Chance für eine Verhaltensänderung bieten soll, läuft dann ins Leere und ist daher nicht erforderlich.
4.3. Zahlungsrückstand kein Entziehungsgrund mehr
Vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform lag ein gesetzlicher Entziehungsgrund vor, wenn sich ein Wohnungseigentümer in Höhe eines Betrags, der 3% des Einheitswerts seines Wohnungseigentums überstieg, länger als 3 Monate in Zahlungsverzug befand. Nach jetziger Rechtslage ist das nicht mehr der Fall. Denn aufgrund einer Änderung im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) hat die Eigentümergemeinschaft eine einfachere Möglichkeit: Bei Zahlungsrückständen gegenüber der Eigentümergemeinschaft kann diese gegen den säumigen Wohnungseigentümer einen Zahlungstitel erwirken, aus dem sie die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums betreibt.
Damit dürfte in diesem Zusammenhang lediglich das schleppende und damit gemeinschaftsschädliche Zahlungsverhalten eines Wohnungseigentümers einen Entziehungsgrund bilden. Das hat sicherlich das LG Frankfurt am Main auch so gesehen, als es der Entziehungsklage einer Eigentümergemeinschaft nach jetzigem Recht stattgab. Denn der betreffende Eigentümer war über circa fünf Jahre mit Hausgeldern und Umlagen in Höhe von insgesamt rund 12.400 Euro in Verzug geraten und zahlte selbst ausgeurteilte einzelne Beträge nicht (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.10.2021, Az.: 2-13 S 9/21).
4.4. Kein Verschulden notwendig
Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 WEG setzt zwar ein Verschulden des den Ärger verursachenden Wohnungseigentümers voraus. Die Rechtsprechung sieht das jedoch anders. Ein schuldhaftes und subjektiv vorwerfbares Verhalten des Störers sei nicht erforderlich. Denn ein für den Störer aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung nicht oder nur schwer vermeidbares Verhalten könne trotzdem dazu führen, dass den anderen Eigentümern eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zuzumuten sei (so zum Messie-Syndrom: LG Hamburg, Urteil vom 06.04.2016, Az.: 318 S 50/15).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lässt es in diesem Zusammenhang genügen, dass die Schuldunfähigkeit des Störers bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung berücksichtigt wird. Ob ein Verschulden dann für den jeweiligen Entziehungsgrund erforderlich sei oder nicht, hätten die jeweiligen Fachgerichte zu klären. Komme es aber nach erheblichen Störungen in einer Wohnungseigentumsanlage durch einen psychisch Kranken über einen längeren Zeitraum zu keinen weiteren Beeinträchtigungen mehr, müssten besondere Gründe für eine Eigentumsentziehung vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993, Az.: 1 BvR 1523/92).
4.5. Das gilt bei störenden Ehegatten bzw. Miteigentümern der Wohnung
Es kommt vor, dass Ehepartnern eine Eigentumswohnung gehört und die Eigentümergemeinschaft den Veräußerungsbeschluss nur gegen einen, und zwar den störenden Ehegatten, fassen möchte. Da die Ehegatten Bruchteilseigentümer der Eigentumswohnung sind, kann grundsätzlich jeder frei über seinen Anteil an der Wohnung verfügen und daher auch seinen Miteigentumsanteil – unabhängig vom anderen Ehepartner – veräußern. Daher wäre ein solcher Veräußerungsbeschluss gegen nur einen Ehegatten rechtens.
Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum kann allerdings insgesamt entzogen werden, wenn nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht. Die anderen Miteigentümer können die Entziehung der gesamten Eigentumswohnung dadurch vermeiden, dass sie den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers erwerben und den Störer dauerhaft sowie einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernen. Diese Möglichkeit besteht auch nach einem gerichtlichen Verfahren mit einem Entziehungsurteil bis zur Erteilung des Zuschlags. Der Eigentümergemeinschaft müssen aber alle durch die Führung des Entziehungsrechtsstreits und der Durchführung des entsprechenden Zwangsversteigerungsverfahrens entstandenen Kosten ersetzt werden (BGH, Urteil vom 14.09.2018, Az.: V ZR 138/17).
4.6. Entziehungsrecht sofort durchsetzen – ansonsten droht Verwirkung
Das Entziehungsrecht kann verwirken. Dies ist der Fall, wenn es jahrelang nicht geltend gemacht wird und die Entziehungsgründe inzwischen entfallen sind. Aber auch, wenn die Gründe noch vorliegen oder ein von den Wohnungseigentümern gefasster Entziehungsbeschluss über Jahre hinweg nicht weiterverfolgt wurde, dürfte Verwirkung eintreten sein. Das gilt ebenso, wenn ein gerichtliches Entziehungsurteil jahrelang nicht vollstreckt wurde.
Damit es erst gar nicht dazu kommt, sollte das Entziehungsrecht möglichst zeitnah ausgeübt und durchgesetzt werden.
4.7. Darauf ist bei der Beschlussfassung über die Entziehung zu achten
Die WEG-Reform hat dazu geführt, dass die Formalien eines Entziehungsbeschlusses nicht mehr gesetzlich geregelt sind. Auch das Erfordernis eines Entziehungsbeschlusses ist im Gesetz nicht mehr vorgegeben. Trotzdem sollten die Wohnungseigentümer stets einen Beschluss über die Entziehung des Wohnungseigentums eines störenden Miteigentümers fassen.
Bei der Beschlussfassung kommt das innerhalb der Eigentümergemeinschaft ansonsten auch geltende Stimmprinzip zur Anwendung, also entweder nach Köpfen, § 25 Abs. 2 WEG, oder stattdessen das vereinbarte Stimmprinzip, etwa nach Miteigentumsanteilen. Einfache Mehrheit genügt, wobei der störende Miteigentümer nach § 25 Abs. 4 WEG nicht stimmberechtigt ist. Denn der zu fassende Beschluss betrifft die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn.
Bei einer Zweiergemeinschaft ist ein Entziehungsbeschluss entbehrlich. In diesem Fall ist ein solcher Beschluss lediglich unnötige Förmelei.
4.8. Entziehungsbeschluss: Störer kann anfechten
Der von dem Beschluss über die Entziehung des Wohnungseigentums betroffene Miteigentümer kann diesen Beschluss – wie jeden anderen Beschluss auch – anfechten. Die dann nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG zu erhebende Anfechtungsklage wird vom Gericht daraufhin überprüft, ob
- der Beschluss formell rechtens ist, ihm also auch eine erforderliche Abmahnung des Miteigentümers vorausgegangen ist
- das beanstandete Verhalten des Störers einen Entziehungsgrund rechtfertigen kann
Eine sachliche Prüfung erfolgt dagegen nicht. Das Gericht stellt nicht fest, ob Entziehungsgründe tatsächlich gegeben sind. Das wird erst geprüft, wenn die Eigentümergemeinschaft gegen den Miteigentümer auf Veräußerung der Eigentumswohnung klagt (BGH, Urteil vom 05.04.2019, Az.: V ZR 339/17). Daher kann der Störer die Anfechtung nicht darauf stützen, dass nach seiner Meinung keine Entziehungsgründe vorliegen. Das ist nicht Prüfungsgegenstand der Anfechtung.
4.9. Störer muss Eigentumswohnung verkaufen
Folge des bestandskräftigen Entziehungsbeschlusses ist, dass der störende Miteigentümer seine Eigentumswohnung verkaufen muss, § 17 Abs. 1 WEG. Geschieht das nicht, kann die Eigentümergemeinschaft auf Veräußerung der Eigentumswohnung klagen und der betroffene Miteigentümer zur Veräußerung verurteilt werden. Verkauft der dazu verurteilte Störer seine Eigentumswohnung trotzdem nicht, hat die Eigentümergemeinschaft die Möglichkeit, die Wohnung zwangsversteigern zu lassen, § 17 Abs. 4 WEG.
Wurde dem störende Miteigentümer aufgrund grober Pflichtverstöße nach vorherigen Abmahnungen das Wohnungseigentum entzogen, muss der Erwerber der Eigentumswohnung dafür sorgen, dass die Nutzung des früheren Miteigentümers beendet wird. Denn diese Nutzung wäre für die anderen Wohnungseigentümer unzumutbar. Der Erwerber darf dem früheren Miteigentümer also nicht den Besitz der Wohnung weiterhin überlassen. Die Eigentümergemeinschaft kann insoweit verlangen, dass der Erwerber dem früheren Miteigentümer den Besitz entzieht (BGH, Urteil vom 18.11.2016, Az.: V ZR 221/15).
Anders ist es regelmäßig, wenn das Wohnungseigentum wegen schleppendem und damit gemeinschaftsschädlichem Zahlungsverhalten entzogen wurde. Da hier der Erwerber die Verpflichtung zur Kosten- und Lastentragung hat, dürfte es für die anderen Eigentümer nicht unzumutbar sein, wenn der frühere Miteigentümer auch weiterhin in der Wohnung bleibt.
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