Gemeinschaftsordnung: Regelwerk für die WEG (Reform 2020)

Gemeinschaftsordnung: Regelwerk für die WEG (Reform 2020)

Die in der jeweiligen Teilungserklärung meist enthaltene Gemeinschaftsordnung ist für die betreffende Wohnungseigentümergemeinschaft von erheblicher Bedeutung und stellt quasi die „Verfassung“ dieser Eigentümergemeinschaft dar. In der Gemeinschaftsordnung wird das Verhältnis der einzelnen Wohnungseigentümer zueinander geregelt, wobei im Idealfall die individuellen Besonderheiten der Wohnungseigentumsanlage berücksichtigt werden. Einzusehen ist die zusammen mit der Teilungserklärung notariell beurkundete Gemeinschaftsordnung regelmäßig im Grundbuch. Was Eigentümer sowie Kaufinteressenten von Eigentumswohnungen über die Gemeinschaftsordnung unbedingt wissen sollten und was typische Regelungen darin sind, erfahren Sie in diesem Artikel.

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1. Gemeinschaftsordnung: Das sind die Grundlagen

Die Gemeinschaftsordnung ist aufgrund ihrer zentralen Regelungen für die Wohnungseigentümergemeinschaft von gravierender Bedeutung. In ihr werden die Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer sowie deren Zusammenleben und Verhältnis geregelt. Zudem bietet sie der Eigentümergemeinschaft die Möglichkeit, teilweise von den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetz (WEG) abzuweichen und insoweit eigene Regeln im Innenverhältnis festzulegen. Das ergibt sich das aus § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, da die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung im Sinne des Wohnungseigentumsrechts ist. Dabei darf aber nicht in die Grundprinzipien des WEG eingegriffen und gegen dessen zwingende Regelungen verstoßen werden. Auszulegen ist die Gemeinschaftsordnung streng nach ihrem Wortlaut.

Festgeschrieben ist der Begriff der Gemeinschaftsordnung im WEG nicht. Er ist allerdings im Wohnungseigentumsrecht üblich. Auch ist die Gemeinschaftsordnung keine zwingende Voraussetzung für die rechtswirksame Gründung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Fehlt diese, was bei Wohnungseigentümergemeinschaften aus den 1960er oder 1970er Jahren häufiger der Fall ist, gelten die aktuellen Vorschriften des WEG und des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für das Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander.

Ist eine Gemeinschaftsordnung vorhanden, ist sie regelmäßig Bestandteil der notariell beglaubigten Teilungserklärung, womit die Gemeinschaftsordnung ins Grundbuch eingetragen wird. Dadurch wird sie zum Inhalt des Sondereigentums, § 5 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 WEG, und folglich zum festen Bestandteil des Wohneigentums. Infolge der Grundbucheintragung gilt die Gemeinschaftsordnung auch für alle Rechtsnachfolger, also etwaige spätere Wohnungseigentümer wie etwa Käufer von Eigentumswohnungen.

Kaufinteressenten von Eigentumswohnungen sollten die Gemeinschaftsordnung stets einsehen. Denn da die dort enthaltenen Regeln beim Erwerb einer Eigentumswohnung auch für den Käufer gelten, drohen unliebsame Überraschungen, wie etwa für die Haustierhaltung ein Zustimmungserfordernis des Verwalters.

2. Welche Regelungen in der Gemeinschaftsordnung typisch sind

Geregelt werden in der Gemeinschaftsordnung die Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer sowie deren Zusammenleben und Verhältnis, wobei im Idealfall auch die individuellen Besonderheiten der Wohnungseigentumsanlage einfließen. Dabei sind vielfältige Bestimmungen möglich, die im Wesentlichen den Abschnitt 4 des WEG (Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) und damit die §§ 10 bis 29 WEG betreffen sowie teilweise davon abweichen können. Typische Regelungsinhalte in der Gemeinschaftsordnung sind etwa:

  • Sondereigentum

Die Gemeinschaftsordnung kann Regelungen über den Gebrauch des Sondereigentums bzw. der Eigentumswohnung enthalten. Dazu gehören Bestimmungen wie etwa die Untersagung einer gewerblichen Nutzung und einschränkende Regelungen zur Nutzungsüberlassung an Dritte.

  • Sondernutzungsrechte 

Häufig finden sich Sondernutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum für einzelne Eigentümer, etwa für bestimmte Gartenflächen. Damit einhergehend werden dem Sondernutzungsberechtigten oftmals die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die Verkehrssicherung für diese Bereiche auferlegt.

  • Gemeinschaftseigentum

Hier kommen Regelungen darüber in Betracht, welche Gebäudeteile und Bereiche sowie Bestandteile des Gebäudes zum Gemeinschaftseigentum gehören. Auch die Verfahrensweise bei Erhaltungsmaßnahmen (also solche der Instandsetzung bzw. Reparatur und Instandhaltungen) und wie diese Maßnahmen finanziert werden sollen, können sich aus der Gemeinschaftsordnung ergeben. Das gilt ebenso für die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen für gemeinschaftliche Teile und Gegenstände, die sich im Nähebereich von Sondereigentum befinden oder allein dessen Gebrauch dienen, wie etwa Fenster oder Balkontüren. Zudem sind Regelungen über die Art und Weise des Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums denkbar.

  • Kostenverteilung

Mögliche Regelungen zur Kostenverteilung sind etwa die Abweichung vom gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen, die Änderungen einzelner Kosten oder Kostenarten sowie Regelungen über die Kostenverteilung selbst.

  • Hausordnung, Tierhaltung, Musizieren

Gegenstand der Gemeinschaftsordnung können eine Hausordnung sowie Regeln zur Tierhaltung, zu Bepflanzungen und zu den zulässigen Zeiten des Musizierens sein. Das alles kann, muss aber nicht in der Gemeinschaftsordnung stehen.

  • Verwalter

Meistens wird der Bauträger oder ein ihm nahestehendes Unternehmen zum Erstverwalter bestellt. Da die Gewährleistungsfrist von fünf Jahren für Mängelansprüche der Wohnungseigentümer mit dem Bestellungszeitraum des Erstverwalters nicht identisch sein soll, kann der Erstverwalter nach dem WEG nur für höchstens drei Jahre bestellt werden. Eine Regelung über den dreijährigen Bestellungszeitraum des Erstverwalters sowie über das sich daran anschließende Verfahren zur Verwalterbestellung ist regelmäßig in der Gemeinschaftsordnung enthalten.

  • Eigentümerversammlungen

In erster Linie kommt hier eine vom Kopfstimmprinzip nach § 25 Abs. 2 WEG abweichende Regelung in Betracht. Nach dem Kopfstimmprinzip hat jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich nur eine Stimme. Stattdessen kann in der Gemeinschaftsordnung festgelegt werden, dass sich das Stimmrecht nach dem Wertprinzip (Anzahl der Miteigentumsanteile) oder dem Objektprinzip (Anzahl der Sondereigentumseinheiten) richtet.

3. Diese Grenzen bestehen für Regelungen in der Gemeinschaftsordnung

Abweichungen von den §§ 10 bis 29 WEG und sonstiger WEG-Vorschriften in der Gemeinschaftsordnung sind nur zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist, § 10 Abs. 1 WEG. Die Gestaltungsfreiheit für abweichende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung ist also begrenzt.

Das erfolgt zum einen durch die Grundprinzipien des WEG und dessen zwingende Regelungen. In diesem Zusammenhang ist oft vom „Kernbereich“ des Wohnungseigentums die Rede, dessen Reichweite von der Rechtsprechung allerdings erst im Einzelfall konkretisiert wird. Unbeschadet dessen darf nicht in elementare Rechte des Sondereigentums, der Mitverwaltung und der Verwaltungskompetenzen eingegriffen werden. Beim Sondereigentum betrifft das etwa das Recht auf ungehinderten Zugang zur Sondereigentumseinheit (Landgericht (LG) München I, Urteil vom 01.06.2015, Az.: 1 S 13261/14 WEG), während bei der Mitverwaltung beispielsweise das Recht zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen, das Rederecht und grundsätzlich das Stimmrecht unantastbar sind (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.12.2010, Az.: V ZR 60/10). Zu den Verwaltungskompetenzen gehört etwa das Recht auf die Bestellung eines Verwalters, das daher in der Gemeinschaftsordnung nicht ausgeschlossen werden darf.

Nach dem Inkrafttreten der WEG-Reform Ende 2020 kann die Abberufung des Verwalters nicht mehr wirksam auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds beschränkt werden. Vielmehr ist die Abberufung jederzeit und ohne einen Grund möglich, § 26 Abs. 3 Satz 1 WEG. Anderslautende Regelungen in Gemeinschaftsordnungen, auch in älteren vor der WEG-Reform, sind daher unwirksam.

Daneben existieren noch einige zwingende Regelungen im WEG, von denen in der Gemeinschaftsordnung nicht abgewichen werden darf, wie etwa das Verlangen eines Eigentümers zur Aufhebung der Gemeinschaft, § 11 Abs. 1 WEG.

Zum anderen müssen die allgemeinen Vorschriften des BGB, speziell die Verbote gesetzes- und sittenwidriger Vereinbarungen nach §§ 134, 138 BGB sowie das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB beachtet werden. So sind etwa Regelungen in der Gemeinschaftsordnung unzulässig, durch die ein einzelner Eigentümer besonders belastet bzw. benachteiligt wird.

4. Änderung der Gemeinschaftsordnung möglich, aber aufwändig

Die Gemeinschaftsordnung kann grundsätzlich später geändert werden, was jedoch sehr aufwändig ist. Da die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung und damit ein schuldrechtlicher Kollektivvertrag ist, welche das Zusammenleben aller Eigentümer bzw. deren Verhältnis betrifft, ist die Zustimmung sämtlicher im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer (Allstimmigkeit) erforderlich. Fehlt die Zustimmung auch nur eines Eigentümers, etwa weil er sich der Stimme enthält, ist die Änderung der Gemeinschaftsordnung gescheitert.

Die Zustimmung aller Eigentümer ist naturgemäß umso schwieriger, je umfänglicher die Änderungen und je größer die Eigentümergemeinschaft ist. Zudem bedarf die Zustimmung eines jeden Eigentümers der notariellen Beglaubigung, damit die Eintragung der Änderung beim Grundbuchamt beantragt und bewilligt werden kann. Die Eintragung in das Grundbuch ist deswegen erforderlich, damit die Änderung der Gemeinschaftsordnung auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern wie etwa Erwerbern von Sondereigentum gilt, § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Zudem ist es möglich. dass die ebenfalls in notariell beglaubigter Form erforderliche Zustimmung von dinglich Berechtigten, also den in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Grundpfandrechtsgläubigern sowie den in Abteilung II eingetragenen Inhaber einer Reallast zu einer vereinbarten Änderung notwendig ist. Das ist der Fall, wenn ein Sondernutzungsrecht begründet, aufgehoben, übertragen oder geändert wird, § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG. Solche Gläubiger können etwa Banken sein.

Auch die Zustimmung eines Vormerkungsberechtigten, Dauerwohnberechtigten oder Nießbrauchers kann erforderlich sein. Denn deren Nutzungsrecht leitet sich vom Eigentümer ab. Es ist daher denkbar, dass das Nutzungsrecht dieser Personen betroffen ist, wenn Sondernutzungsrechte geändert werden.

5. Einfacher: Änderung per Beschluss durch Öffnungsklausel

In der Gemeinschaftsordnung können auch eine generelle Öffnungsklausel oder einzelne Öffnungsklauseln für bestimmte Bereiche enthalten sein. Ist das gegeben, haben die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, grundsätzlich durch mehrheitlichen Beschluss die in der Gemeinschaftsordnung aufgeführte Regelungen zu ändern. Etwaige Rechtsnachfolger sind durch den Beschluss an diese Änderung gebunden, der in der Beschluss-Sammlung aufzunehmen ist, §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 2, 24 Abs. 7 WEG.

Soll von einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht werden, sind darauf beruhende Regelungen unter anderem durch unentziehbare, aber verzichtbare Mitgliedschaftsrechte begrenzt und dürfen insbesondere einen einzelnen Eigentümer nicht besonders belasten bzw. benachteiligen, es sei denn, der nachteilig betroffene Eigentümer stimmt dem zu.

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Öffnungsklauseln finden sich auch im WEG, so etwa bei der Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung, § 12 Abs. 4 WEG, oder der Kostenverteilung, § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Auch hier kann eine entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung aufgrund der gesetzlichen Öffnungsklausel durch Beschluss geändert werden.

6. So unterscheidet sich die Teilungserklärung von der Gemeinschaftsordnung

Durch die Teilungserklärung wird das Wohnungseigentum begründet, während die Gemeinschaftsordnung eine Vereinbarung aller Miteigentümer über deren Verhältnis untereinander ist. Dabei ist die Gemeinschaftsordnung regelmäßig Bestandteil der Teilungserklärung.

Mit der Teilungserklärung wird ein Grundstück sowie die darauf befindliche Immobilie in Wohneigentum bzw. mehrere Eigentumswohnungen aufgeteilt, § 8 WEG. Neben der üblicherweise vom Bauträger erstellten Gemeinschaftsordnung besteht die Teilungserklärung aus dem von einem Architekten angefertigten Aufteilungsplan mit der vom Bauamt bestätigten Abgeschlossenheitsbescheinigung. Nach der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung legt das Grundbuchamt auf Antrag die einzelnen Wohnungsgrundbücher an, so dass die durch die Teilung entstandenen Eigentumswohnungen veräußert werden können. Die Eigentümer der Wohnungen bilden dann die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Sind in der Gemeinschaftsordnung und in der Teilungserklärung unterschiedliche Angaben vorhanden, ist die Nutzungsbestimmung in der Gemeinschaftsordnung gegenüber der Teilungserklärung vorrangig (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 28.10.1997, Az.: 2Z BR 88/97).

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